Seelen aus Stein


Leseprobe

(Achtung: unkorrigierte Leseprobe)


Prolog

»Er ist wie Batman.«

Lukas hätte fast gelacht, als er das Flüstern hinter sich hörte, während sein Blick durch die Scheibe in den Verhörraum fiel, in dem Stanley Walker gerade jedes Verbrechen an Mädchen und Jungen gestand, an dem er beteiligt gewesen war.

Dass er das blutend und unter Todesangst tat, was niemals vor Gericht bestand haben würde, interessierte innerhalb ihrer Sektion niemanden, denn Stanley würde weder dieses Gebäude verlassen noch vor Gericht gestellt werden. Aber das wusste er im Moment noch nicht und darum redete er wie ein Wasserfall, während die Kameras jedes seiner Worte aufnahmen und in der Rechercheabteilung bereits die Computer heißlaufen dürften, in der Hoffnung, noch ein paar seiner Opfer lebend zu finden.

»Er ist eher der Schwarze Mann.«

»Mit dem Aussehen von Christian Bale. Also Batman.«

Lukas räusperte sich und konnte förmlich spüren, wie Marc und Sarah hinter ihm Haltung annahmen. Sie waren noch jung, im Vergleich zu ihm jedenfalls, erst drei Jahre dabei, und hatten trotz allem bereits eine gute Erfolgsquote aufzuweisen, deshalb waren sie rekrutiert worden. Kane und er holten niemanden ins Team, der nicht gewisse Voraussetzungen mitbrachte und auch ein wachsendes Potenzial aufwies.

Dennoch bedeutete das nicht, dass ihre Entscheidungen sich immer als richtig erwiesen, denn Marc hatte sich verändert, war mittlerweile ein Wackelkandidat und heute hier, um ihn in aller Ruhe zu begutachten und am Ende eine Wahl zu treffen, denn manche Neulinge brauchten etwas mehr Zeit und mitunter eine zweite Chance, die Lukas immer einzuräumen bereit war. Doch es gab Männer und auch Frauen, die es nicht schafften, weil sie plötzlich ein Gewissen bekamen oder sich verliebten und eine Familie gründeten und nicht mehr mit dem leben konnten, was in der Sektion getan wurde.

Das passierte selten, aber es kam vor, und es oblag in diesen Fällen Lukas, zu entscheiden, was geschehen sollte, denn Kane kannte für veränderte Loyalitäten nur eine Lösung.

»Er ist nicht Batman«, sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust, als Stanley im Verhörraum aufschrie, denn Kane war unzufrieden und mit einem gebrochenen Ellbogen sprach es sich leichter – zumindest war das Stanley Walker anzuraten, sonst würde er diesen Raum nicht mehr aufrecht verlassen. »Im Gegensatz zum schwarzen Rächer mit Cape und Maske, kennt mein Ehemann kein Erbarmen. Nicht einmal euch gegenüber, solltet ihr jemals die Sektion oder ein Opfer gefährden.«

Kurzes Schweigen hinter ihm, dem ein scharfes Einatmen folgte, als Kane ein Skalpell auf den Tisch legte, woraufhin der Mann vor ihm, den sie nach fünfjähriger Suche endlich hatten schnappen können und der, so weit sie wussten, acht Mädchen und sechs Jungen entführt und für viel Geld an Kinderschänder verkauft hatte, zu weinen anfing.

»Bringt er ihn etwa da drin um? Ich dachte, wir haben dafür einen extra Raum«, murmelte Sarah und trat neben ihn. Sie war einerseits fasziniert und andererseits entsetzt wegen der Kälte und der unverkennbaren Brutalität, die Kane an den Tag legte, aber da sie als Polizistin bereits zwei Frauenmörder getötet und es erfolgreich als Notwehr ausgelegt hatte, aus Frust darüber, dass die Beweise nicht ausgereicht hatten, um beide für immer hinter Gitter zu bringen, würde sie damit zurechtkommen.

Ihr Profil hatte das deutlich gezeigt.

Bei Marc hingegen, der jetzt an seine andere Seite trat, lagen die Dinge heute anders als vor drei Jahren, und das war Lukas ebenso bewusst wie Kane, der von ihm heute morgen unter der Dusche eine Entscheidung verlangt hatte.

Lukas wiegte überlegend den Kopf, denn wie Kane im Falle eines derart abartigen Täters wie Stanley Walker reagierte, war manchmal schwer vorauszuahnen. In den letzten Jahren war er beherrschter und ruhiger, was sein Einfluss war, das wusste er, aber es gab Tage, da brach der Psychopath in Kane völlig durch und dann konnte man nur noch beiseite treten und ihn einfach machen lassen. Und das war in der Sektion niemals ein Problem, denn es gab mehr als genug Menschen auf dieser brutalen Welt, die den Tod verdienten.

»Er hat heute einen schlechten Tag«, sagte er schließlich und bekam dafür zwei ungläubige Blicke zugeworfen, die ihn leicht grinsen ließen.

Marc räusperte sich vernehmlich. »Das da nennen Sie einen schlechten Tag, Sir?«

»Ich würde gerne mal zusehen, wenn Ihr Mann einen guten Tag hat«, erklärte Sarah entschlossen und Lukas nickte schlicht, zufrieden mit sich, weil er richtig gewählt hatte. Zumindest bei Sarah, und früher oder später würde sie die Chance bekommen, Kane zuzusehen, wenn der sein gesamtes Potenzial als Folterer und Mörder entfaltete.

»Machen Sie weiter so einen guten Job, dann lässt sich das mit Sicherheit einrichten«, erklärte Lukas und behielt nebenbei Marc im Auge, als im Verhörraum aus einem Schrei abrupt ein Gurgeln wurde, das schnell verstummte.

Marc verzog gequält den Mund, nur für einen Augenblick zwar, dann hatte er sich wieder unter Kontrolle, doch diese eine Sekunde hatte für Lukas gereicht. Kanes Einschätzung stimmte und das bedeutete, sie würden sich von Marc trennen müssen. Es stellte sich nur noch die Frage, in welcher Art und Weise das geschehen musste.


Kapitel 1

Marc sah gut aus.

Er war erholt, braun gebrannt und mit sich selbst und dem neuen Leben, das er heute auf dem Land führte, unverkennbar zufrieden. Lukas nickte ihm zu, bevor er den Mietwagen parkte und zu seinem ehemaligen Mitglied der Sektion aufschloss, das ihm glucksend sein Fernglas reichte und auf die Farm deutete. Lukas suchte und fand recht schnell, was Marc offenbar schon eine ganze Weile amüsierte. Er lachte kopfschüttelnd, ehe er das Fernglas zurückgab.

Dass er Maxwell Stone jemals so losgelöst und glücklich vor sich sehen würde – Lukas hätte nicht darauf gewettet, aber Ben Fowler hatte Wunder bewirkt und er wünschte den ungleichen Männern nur das Beste, genau wie er Tyler, Garrett und Declan das Beste wünschte, obwohl vor allem Tyler ihm das wohl für den Rest seines Leben niemals wirklich glauben würde.

Nicht, dass Lukas es nicht verstand. Zwischen ihnen dreien war damals zu viel zerstört worden. Doch es hatte auch Gutes bewirkt, denn nachdem Garrett fast getötet worden war, hatten Kane und er sich hingesetzt und weitreichende Sicherheiten für ihre Männer und Frauen eingebaut. Natürlich gab es trotzdem weiterhin Verletzte, ab und zu auch Tote, aber längst nicht mehr so viele wie früher.

Die Sektion arbeitete heute effizienter, und darum bekamen Männer wie Marc eine zweite Chance auf ein neues Leben, bei dem sie Kane und ihm trotzdem nützlich sein konnten, statt sie in Selbstmordjobs zu verheizen oder ihnen selbst das Leben zu nehmen. Und Marc war hier draußen so nützlich, wie er es nur sein konnte, denn Maxwell Stone – obwohl er heute nicht mehr so hieß – war weiterhin in Gefahr. Mindestens so lange, wie sie die Hintermänner des Snuff Clubs nicht erwischten und davon waren sie derzeit noch weit entfernt.

»Es geht ihm gut?«, fragte er ruhig, obwohl Marc ihm, wäre es anders, längst Bescheid gegeben hätte.

Die Sektion behielt ihre Schutzbefohlenen im Auge.

Nicht alle, aber schwere Fälle wie diesen auf jeden Fall, weil die Gefahr für Leib und Leben bestehen bleiben würde, solange Maxwell, der auf seiner Farm gerade mit einem dreibeinigen Hund spielte, am Leben war. Und Lukas hatte dafür zu sorgen, dass es auch so blieb, selbst wenn das hieß, noch in dreißig oder vierzig Jahren Marshals abstellen zu müssen, die alle paar Tage einen Blick auf die Farm und ihre Bewohner warfen.

Sie hatten einige solcher Alt-Fälle, wie sie bei den Marshals genannt wurden, und eine Handvoll davon würde bis zu ihrem Tod streng bewacht und beschützt werden, da alles andere viel zu gefährlich gewesen wäre. Das kostete Unsummen, war aber nötig, und dank Kanes langjähriger Planung und auch Umsicht besaß die Sektion heute über genügend Mittel und Einfluss, um jede Frage nach Budgetkürzungen für diverse Schutzbefohlene im Keim zu ersticken.

Sein Mann würde nicht zulassen, dass der Marshal-Service ein unschuldiges Opfer aus Geldgründen sich selbst und damit in den meisten Fällen dem Tod überließ. Es war schlimm genug, dass sie erst vor acht Monaten einen ihrer eigenen Leute hatten exekutieren müssen, als herausgekommen war, dass der erstens Informationen über ihre Schutzbefohlene an einen russischen Menschenhändlerring verkaufte und sich dafür zweitens mit kleinen Mädchen bezahlen ließ.

Kane hatte vor Wut getobt – höflich ausgedrückt –, als ihnen das ganze Ausmaß dieses Verrats bewusst geworden war, und nachdem er den Marshal fast zwei Tage lang verhört hatte, war von dem Mann nicht mehr genug übrig gewesen, um es in eine Urne zu füllen.

Ein Gutes hatte dieser Ausbruch allerdings gehabt, denn bis Weihnachten letzten Jahres waren selbst die finstersten Straßen und Ecken von Detroit so sicher gewesen wie seit Langem nicht mehr, denn Kane war jede Nacht auf die Jagd gegangen, bis das Monster in ihm endlich zufrieden gewesen war und sich Lukas wieder zugewandt hatte.

Es waren blutige Gewaltexzesse wie dieser, die ihn immer wieder daran zweifeln ließen, ob er das Richtige tat oder ob es nicht besser wäre, Kane im Schlaf zu erschießen, weil er einen echten Zweikampf gegen seinen Ehemann vermutlich mit dem Leben bezahlen würde, aber Lukas wusste, dass er das niemals fertigbringen würde, also war es müßig darüber nachzudenken, obwohl er es trotzdem tun würde. Spätestens, nachdem er das nächste Mal dazu gezwungen war, übel zugerichtete Leichen zu entsorgen, die man niemals finden durfte.

Wie gut, dass es im Keller der Sektion ein Krematorium gab, das regelmäßig im Einsatz und zudem Teil ihrer hauseigenen Energieversorgung war. Kane mochte ein äußerst gefährlicher Soziopath und Serienmörder sein, aber er war zugleich auch ein Tier- und Umweltschützer, und je unabhängiger die Sektion von äußeren Einflüssen, egal wie unbedeutend und klein sie waren, agieren konnte, umso besser, fand er.

Marc lachte leise und riss Lukas aus seinen Gedanken über Kane. »Es geht den beiden gut, Boss«, sagte Marc daraufhin mit einem offenen Lächeln. »Maxwell Stone ist psychisch stabil und sein Mann achtet penibel darauf, dass das auch so bleibt.«

Alles war im grünen Bereich, so wie erwartet. Lukas nickte und hielt Marcs Blick fest. »Abgesehen davon, dass ich offiziell nicht mehr dein Boss bin … Wie geht es dir?«

»Gut.« Marc grinste, als er die Stirn runzelte. »Wirklich. Ich hätte mich gemeldet, ehrlich. Dieser Job hier draußen, am Arsch der Welt – es gefällt mir, auch wenn es manchmal ein bisschen einsam ist, das gebe ich zu. Allerdings kann ich wahrlich nicht behaupten, dass mir Detroit fehlt. Die Action im Job fehlt mir, aber nicht die Stadt selbst.«

Das konnte Lukas nachempfinden, denn Detroit war auch in seinen Augen nicht gerade die beste Stadt, um eine Familie zu gründen oder sich niederzulassen. Kein Wunder. In Detroit gab es fast täglich einen Mord und die Kriminalitätsrate war derart hoch, dass es hundert Mal so viele Staatsanwälte wie Kane und seine Kollegen gebraucht hätte, um die vielen Verbrechen auch nur ansatzweise zu verhandeln. Von den mindestens zwei oder drei neuen Gefängnissen, die eigentlich gebraucht wurden, für die aber kein Geld da war, gar nicht zu reden.

Es war nicht alles schlecht, aber Kane hatte sich aus gutem Grund für Detroit als Hauptsitz ihrer Sektion entschieden, denn hier schauten die Leute weg und in den seit Jahren chronisch unterbesetzten und unterfinanzierten Behörden hielt man gerne die Hand auf, was Baugenehmigungen und positive Bescheide auf Anträge jedweder Art mitunter sehr beschleunigte. Zudem lag Detroit direkt an der kanadischen Grenze und für den Fall der Fälle hatte Kane Vorkehrungen getroffen.

Sollte es also eines Tages nötig sein, die Sektion für immer zu schließen und außer Landes zu flüchten, würden sie dafür, die Sprengung der Anlage und die Zerstörung aller gesammelten Daten auf den Sicherheitsservern inbegriffen, weniger als zwei Stunden brauchen.

Doch das waren sensible Interna und die gehörten erstens nicht hierher und zweitens nicht zu jenen Dingen, von denen Marc wusste, geschweige denn, dass er sie je erfahren hätte.

»Du bist der neue Sheriff«, konzentrierte sich Lukas daher wieder auf ihr Gespräch und Marc winkte ab.

»Was nicht heißt, dass ich viel zu tun hätte. Die Gegend hier ist verdammt ruhig.«

In seinen Augen blitzte es ganz kurz auf, doch Lukas kannte den Blick viel zu gut von sich selbst, als dass er ihm entgangen wäre. Er schmunzelte, denn genau auf diese Entwicklung hatte er gehofft. »Wie heißt sie?«

»Woher …?« Marc schaute ihn verblüfft an, dann verdrehte er mit einem Grinsen die Augen. »Sie sind echt gut, Boss.«

Dessen war sich Lukas bewusst und darum unterstand ihm auch seit Jahren ein exzellentes Team aus Männern und Frauen, für die er allesamt die Hand ins Feuer legen würde, denn das, was sie taten, war wichtig, und es gab sonst niemanden, der es tun konnte. Der dazu bereit gewesen wäre, moralische Grenzen zu überschreiten, die sie sich in der heutigen Zeit kaum noch leisten konnten, denn die Netzwerke der Menschenhändler und von Pädophilen, die das schlimmste Material in Form von Bild- und Videodateien oder auch Live-Chats miteinander und gegen Geld teilten, sprossen wie Pilze aus dem Boden, und das leider weltweit.

»Danke. Und?«, hakte Lukas nach, weil er mehr wissen und dabei sichergehen wollte, dass bei Marc nicht nur beruflich jetzt alles glatt lief, sondern auch privat. Gerade Letzteres war Marc in der Sektion zum Verhängnis geworden, doch hier und heute durfte er verliebt und glücklich sein.

»Madeline. Ich mag sie sehr.«

Da war ein gewisser Unterton in Marcs Stimme, den Lukas nicht auf sich beruhen lassen würde. »Aber?«

Marc schürzte unsicher die Lippen. »Ich habe Angst, ihr die Narben zu zeigen. Nicht jede Frau steht auf so was.«

Das stimmte natürlich, andererseits gab es genug Frauen in der Welt, die nicht nach Oberflächlichkeiten gingen, geschweige denn, in irgendeiner Weise danach urteilten. Marc würde das Risiko eingehen müssen, falls er mit Madeline eine gemeinsame Zukunft haben wollte. So wie er selbst vor Jahren das Risiko mit Kane eingegangen war.

Lukas schob beide Hände in die Hosentaschen. »Das stimmt zwar, aber du solltest es trotzdem tun. Zeig ihr, was sie mit dir an ihrer Seite im Leben erwartet.« Marcs leises »Warum?« ließ ihn mit dem Kopf schütteln. »Das weißt du doch. Ehrlichkeit ist alles. Wenn das jemand weiß, dann wir, Marc.«

Ein paar Minuten herrschte Schweigen zwischen ihnen, die Marc zum Nachdenken nutzte, bevor er erneut durchs Fernglas auf die Farm sah. »Manchmal«, begann er leise, »frage ich mich, wie lange Sie mich noch in der Sektion behalten hätten. Ich bin ja nicht dämlich. Ich kann mir denken, dass ich längst auf der Abschussliste stand, als der letzte Auftrag reinkam.«

»Den du mit Bravour gelöst hast«, sagte Lukas, weil er Marc weder belügen noch beschwichtigen wollte. Seine Männer und Frauen waren klug und sie verdienten die Wahrheit, auch wenn selbige manchmal wehtat.

»Und dabei fast ermordet worden wäre.«

»Auch das stimmt«, sagte Lukas und tippte Marc gegen den Oberarm, woraufhin der das Fernglas senkte und ihn anblickte. »Ja, du standest auf der Liste der Wackelkandidaten, und als du diesen Auftrag erfüllt hast, wusste ich, dass es dein letzter sein würde. Du warst zu dicht dran. Du hast gezögert. Anstand und Moral sind Dinge, die wir uns nicht immer leisten können, aber das bedeutet nicht, dass wir gefühllose Monster sind. Du warst einer zweiten Chance würdig, darum bist du jetzt hier, und das bedeutet, dass all diese Ereignisse dich am Ende zu Madeline geführt haben. Wenn du sie also liebst, wovon ich ausgehe, sag ihr, was du sagen kannst, und zeig ihr deine Narben. Du warst ein Polizist, bevor du zu uns kamst, und das darf sie durchaus wissen. Genauso wie sie wissen darf, dass du einen brutalen Serienmörder ohne Hilfe gefasst hast und dabei beinahe von diesem Mann ermordet worden wärst.«

Marc atmete tief durch, dann nickte er. »Danke.«

Lukas schüttelte den Kopf. »Nicht dafür. Wir waren alle mal normale Menschen, selbst Kane und ich, und in einigen von uns ist noch genügend Gefühl übrig, dass sie eines Tages vielleicht auch eine zweite Chance bekommen. So wie du, Marc.«

Wovon er Kane und sich ausnahm, und auch eine Handvoll weiterer Mitglieder der Sektion. Für sie würde es kein Zurück in die normale Welt geben. Niemals. Und sobald der Tag kam, an dem Männer wie Bradley und Steven oder Frauen wie Sarah, die mittlerweile leider zu viel Geschmack daran fand, sich von Kane anleiten zu lassen, die von seinem Mann und Lukas selbst aufgestellte, unsichtbare Grenze in puncto Grausamkeit, Folter und Wahnsinn überschritten, würden sie still entsorgt werden, denn Menschen wie diese konnten nicht auf die Welt außerhalb der Sektion losgelassen werden.

»Wie geht es Sarah?«

»Gut«, antwortete Lukas, was die Wahrheit war, und mehr musste Marc nicht wissen. »Sie leitet das Ermittlungsteam zum Snuff-Club, der Stone damals fast das Leben gekostet hätte, und sie hat einige vielversprechende Hinweise nach Osteuropa und Bulgarien entdeckt, denen sie aktuell nachgeht.«

Marc schwieg kurz, dann straffte er die Schultern und stellte sich vor ihn. »Ich weiß, ich bin kein Mitglied der Sektion mehr und habe daher auch keine Sicherheitsfreigabe, aber ...«

»Marc«, unterbrach Lukas ihn ruhig, denn er wusste genau, was sein ehemaliger Schützling von ihm wissen wollte. »Eines Tages werde ich hoffentlich eine Antwort für dich haben, doch noch ist es nicht so weit.«

Aus dem folgenden Blick sprach viel Frust, den er mit Marc teilte. Das taten sie alle, wenn wieder eine anfänglich gute Spur im Sande verlief, aber Marc gab nach, denn er wusste, wie lange es mitunter dauerte, die Täter dingfest zu machen oder, was oft genug vorkam, ihnen eine Kugel in den Kopf zu jagen. Ein paar mussten sie den Behörden lebend überlassen, alles andere wäre zu auffällig gewesen, aber seit selbst sein Boss im US-Marshal-Service es vorzog, Dinge, die die Sektion betrafen, nicht länger wissen zu wollen, solange sie nur genügend Pädophile, Mörder und sonstigen Abschaum, den man normalerweise nicht einmal mit der Kneifzange anfassen wollte, für immer von der Straße holten, verschwammen die Grenzen dessen, was man tun und was tabu sein sollte, mehr und mehr.

»Ich kann dir zumindest sagen, die Chancen, dass wir dank Sarah und Kane an die Hintermänner herankommen, sind jetzt weitaus größer als noch vor einem Jahr.«

»Gut«, knurrte Marc und sah zurück zur Farm. »Er und sein Mann sind mir ans Herz gewachsen, und dass ich jemals offen solche Worte sage, hätte ich niemals gedacht. Aber es ist so und ich wünsche mir für ihn und vor allem für die anderen Opfer, die wir nicht retten konnten, dass dieser Drecksladen bis zum letzten Mann ausgerottet wird.«

Kane würde das folgende nicht gutheißen, aber Lukas hatte Marc genauestens im Auge behalten, seit er aus der Klinik, der Reha und am Ende aus der Sektion entlassen worden war, ehe er ihm den Job hier draußen verschafft hatte, und er wusste, dass Marc diese letzten offenen Antworten für seinen Seelenfrieden brauchte, also war er bereit, gegen die Regeln zu verstoßen, die er mit aufgestellt hatte, um Marcs Psyche zu unterstützen.

»Wir haben drei ausgeschaltet. Zwei Männer, eine Frau. Die Frau in Australien, die Männer in den USA und Frankreich. Wir haben weitere vier unter Beobachtung, die noch weitermachen dürfen, weil es Opfer gibt, die am Leben sind. Sobald wir diese Opfer gefunden haben, werden die Täter beseitigt.«

Sarah und Kane hätten das mit einem zufriedenen »Gut.« kommentiert, doch Marc war nicht wie sie. Er war sanfter, auch wenn er im Notfall durchaus bereit wäre, wieder zu töten. Und darauf zählte Lukas. Darum hatte er ihm die Überwachung und den Schutz von Maxwell Stone und Ben Fowler anvertraut.

Jeder, der in der Sektion arbeitete, war psychisch krank, aber es gab Unterschiede. Es gab Abstufungen. Harte und weichere Einteilungen in den verschiedenen Bereichen, die sicherstellten, dass sie ihre Männer und Frauen vernünftig einsetzen konnten. Nicht jeder war für jede Arbeit geeignet, darauf mussten sie bei den Rekrutierungen genauestens achten, und weil er sich dabei als derjenige mit dem besten Instinkt herausgestellt hatte, oblag der Bereich mittlerweile ihm, obwohl Kane als Leiter von allem, was zur Sektion gehörte, ein Vetorecht besaß.

»Danke«, sagte Marc schließlich, nickte ihm lächelnd zu und verließ kurz darauf den schmalen Feldweg, um zurück in die Stadt zu fahren und seinem offiziellen Beruf nachzugehen.

Lukas blieb zurück und legte den Kopf in den Nacken, um zu schmunzeln, als der leichte Wind ein Lachen von der Farm bis zu seinem Beobachtungsposten herübertrug. Vielleicht war es wieder einmal Zeit für einen offiziellen Besuch, um Fowler damit zu ärgern, der ihm jedes Mal, wenn er vorbeikam, einen finsteren Blick zuwarf. Es war nicht so, dass der Mann ihn nicht leiden konnte, und Lukas selbst hatte absolut nichts gegen Ben Fowler, im Gegenteil. In einem anderen Leben hätte der gut zu Kane und ihm gepasst. Zumindest für eine Weile und wenn er sich mit einem Platz als Spielzeug im Schlafzimmer zufriedenen gegeben hätte. Andererseits hatte Fowler von Anfang an etwas an sich gehabt, dass es unmöglich machte, ihn auf einen Platz in ihrem Bett zu reduzieren, wo schon eine ganze Weile niemand mehr lag, außer Kane und ihm selbst.

Was sagte das wohl über sie beide aus?

Lukas schürzte die Lippen, da er die Antwort auf die Frage kannte, aber nicht weiter darüber nachdenken wollte, denn falls er jemals auf die Idee kam, von Kane Exklusivität zu verlangen, würde er seinen Ehemann und möglicherweise auch sein Leben verlieren. Stattdessen warf er lieber einen Blick auf sein Handy, das lautlos gestellt war.

Sechs Nachrichten, vier Anrufe, sieben E-Mails.

Im Grunde vollkommen normal, weil er seit zwei Tagen im Land unterwegs war, um nach seinen Schützlingen zu schauen, und eigentlich weitere drei Tage vor sich hatte. Doch es war die letzte E-Mail von Kane, die nur aus einem Satz bestand, die ihn erstens die Stirn runzeln ließ und zweitens dafür sorgte, dass er eilig in den Wagen stieg, während er gleichzeitig damit anfing, seine gebuchten Hotelzimmer zu canceln.

Der Besuch bei Maxwell würde warten müssen, weil er ein Menschenleben zu retten hatte – sofern es noch zu retten war.

Sarah überschreitet die Grenze.

***

»Warte mit dem Urteil, bis ich zurück bin!«
»Tue ich das nicht immer?«

Lukas hätte bei dem trockenen Konter fast gelacht, aber nur fast, denn Kane war unberechenbar, wenn er eine Gefahr für die Sektion sah, und falls Sarah den Rand der Klippe übersprungen hatte, war sie eine Gefahr. Sowohl für die Sektion als auch für all jene Opfer, die sie eigentlich retten wollten. Und das war etwas, das weder Kane noch er akzeptieren, geschweige denn tatenlos hinnehmen würden.

Dafür war ihre Arbeit einfach zu wichtig.

Und sie war auch notwendig, denn die Welt wurde von Tag zu Tag verrückter und vor allem digitaler, was es für Pädophile, Sadisten und andere Mörder, so wie Gruber, der Maxwell Stone beinahe ermordet hatte, immer leichter machte, an junge, naive Opfer zu kommen.

Darum gab es die Sektion. Sie mochten zwar nur eine kleine Einheit sein, Lukas wusste, dass es viel größere Sondereinheiten mit bis zu einhundert oder auch mehr aktiven Mitgliedern gab, dagegen war ihre Sektion mit fünfundzwanzig Mann, plus Kane und ihm, praktisch kaum mehr als eine Kindergartengruppe. Andererseits waren sie besser ausgebildet, hatte weit bessere finanzielle Möglichkeiten, und waren dem US-Marshal-Service nur noch auf dem Papier unterstellt. In der Realität besaßen sie Narrenfreiheit, solange sie es nicht zu weit trieben.

Das waren zumindest die Worte von Senior Special Agent Jeffrey Levingston gewesen, dem er als Marshal unterstellt war – zumindest offiziell. Inoffiziell interessierte ihn kein Stück, was sie wie taten, solange Lukas weiter regelmäßig Berichte schrieb und dabei Erfolge aufweisen konnte. Niemand in den Behörden konnte es sich offiziell leisten, Täter zu foltern und zu töten, aus dem Grund gab es schließlich Sondereinheiten, die unter jedem Radar operierten.

Allerdings halfen ihnen auch bestens ausgebildeten Leute und ausreichend finanzielle Möglichkeiten nicht viel, wenn sie auf Dauer chronisch unterbesetzt waren, denn wenn Sarah aus dem aktiven Dienst ausschied, fehlte ihn im Außeneinsatz ein komplettes Team, und das würde nicht lange gut gehen.

»Erzähl mir die Details«, sagte er daher und betrat nebenbei eine kleine Tankstelle im Nirgendwo, um sich ein paar Snacks und etwas zu trinken zu besorgen. »Ich bin in ein paar Stunden zurück, falls ich weiter so gut durchkomme. Wirst du zu Hause auf mich warten?« Er wusste, dass diese Frage hinterhältig war, denn solange Kane nicht in der Sektion war, war Sarah vor ihm sicher. Die Vollstreckung eines getroffenen Urteils, sofern es ein Teammitglied betraf, überließ sein Mann niemand anderem in der Sektion. »Ich kann uns Abendessen mitbringen.«

Es dauerte einen Moment, bis sein Mann reagierte. »Versuch nicht ständig, mich so stümperhaft zu manipulieren. Eigentlich müsste das nur vom Zusehen bei meinen Verhören mittlerweile bedeutend besser beherrschen.«

Lukas grinste, während er zwei abgepackte Sandwichs, eine Tüte Trockenobst und drei Flaschen Wasser an sich nahm. »Ich würde mir echte Sorgen um dein immer so cleveres Köpfchen machen, wenn dir nicht klar wäre, dass ich dich eine Weile von Sarah fernhalten will. Wir treffen Urteile gemeinsam, Kane. So haben wir es beschlossen. Glaub du also nicht, dass ich mir das von dir wegnehmen lassen, nur weil es dich gerade juckt.«

»Täte es mich jucken, wäre ich bereits auf dem Weg in einen Club, um mir jemanden zu suchen, der mich kratzt«, kam eisig zurück und der drohende Unterton, es nicht zu weit zu treiben, was unverkennbar und würde Lukas dennoch nicht aufhalten. Er wusste genau, wie weit er gehen konnte, wie weit er Kane im Notfall reizen konnte, und von diesem Punkt war sein Mann im Moment noch weit entfernt.

»Das übernehme ich, sobald ich zu Hause bin. Und jetzt sag mir endlich, was vorgefallen ist.« Lukas nickte einem pickligen Teenager freundlich zu, der hinter der Kasse stand und ihn mit geweiteten Augen anstarrte, bezahlte sowohl den Sprit als auch seine wenigen Einkäufe und fädelte sich kurz darauf wieder auf den Highway ein, wo er Gas gab, denn die Straße war leer und Lukas wollte so schnell wie möglich nach Detroit kommen. »So weit ich mich erinnere, waren wir uns einig, ihr bis Jahresende Zeit zu geben, um ihre aktuellen Ermittlungen in Europa nicht zu gefährden, und sie dabei weiter zu beobachten. Was hat sich daran geändert?«

»Nichts, hätte sie nicht gestern einen Mann, der seine eigene Frau verprügelt, an beiden Händen an einem Baum aufgehängt und kastriert. Als öffentliche Warnung für die übrigen Männer im Dorf, sich gefälligst nie wieder an ihren Frauen, geschweige denn an Kindern zu vergreifen.«

Lukas fluchte lästerlich und laut, dann atmete er tief durch, um sich beruhigen. Kein Wunder, das Kane Sarah so unerwartet auf die Abschussliste gesetzt hatte. »Was wissen wir schon über den Toten? Opfer? Täter? Beides?«, fragte er, denn sie vergriffen sich nicht an Tätern, deren Schuld nicht unverkennbar feststand – Sarah wusste das.

»Jacob und Aaron haben Befragungen durchgeführt, jedoch ohne eindeutiges Ergebnis. Das angebliche Opfer, die Ehefrau, sagt kein Wort. Ihr Gesicht spricht dagegen eine recht deutliche Sprache, aber wenn sie nicht bestätigt, was ihr Mann getan hat, bringt uns das nicht weiter. Er war nur ein kleiner Mittelsmann und jetzt werden wir, dank Sarah, vorerst nicht an die Namen weiter oben auf der Leiter herankommen. Diese Spur ist damit kalt und wird es bleiben.«

Das war verdammte Scheiße. Sie hatten Monate gebraucht, um in Bulgarien die nötigen Kontakte vor Ort zu knüpfen, und er hatte Marc erzählt, dass Sarah auf einem sehr guten Weg war. Diese Aussage würde er wohl revidieren müssen.

»Was noch?«, fragte er mühsam beherrscht.

»Ich habe Sarah zurückbeordert. Adrian wird sie ersetzen, bis alles eingepackt ist. Er ist schon auf dem Weg. Ihr Rückflug landet in zwei Stunden, ein Team wird sie zur Sektion bringen. Sie ist suspendiert und findet das unfair und noch eine Menge mehr, was ich mir am Telefon bereits anhören durfte. Sie gab erst Ruhe, als ich ihr die Wahl ließ, sich gefälligst zu mäßigen oder ihren Bericht im Verhörraum abzugeben.«

Lukas grinste kurz, um gleich darauf den Kopf zu schütteln, denn die Drohung funktionierte immer. Niemand in der Sektion nahm freiwillig im Verhörraum Platz, schon gar nicht, wenn ihr oder ihm gegenüber Kane am Tisch saß.

»Ich habe Romanov gefunden.«

Lukas bremste so scharf, dass er von Glück reden konnte, dass weit und breit niemand hinter ihm fuhr. »Wann? Wo?«

»Letzte Nacht, Riverdale. Ich bekam einen Tipp, den ich auf den ersten Blick nicht für vielversprechend hielt, aber weil ich keine Lust auf ein weitere Nacht allein hatte, dachte ich mir, es könne nicht schaden, mal kurz hinzufahren. Stell dir doch bitte mein Erstaunen vor, als Romanov zufrieden lächelnd aus einer Pizzeria spazierte. Ich bin ihm bis zu einem Loft gefolgt, in dem er unter falschem Namen wohnte, und habe ihn direkt dingfest gemacht. Wir werden ihn morgen früh abholen.«

»Betäubung?«, fragte Lukas, denn die Methode hatte er vor sechs Jahren eingeführt, um Verbrecher gefahrlos einzufangen und später mit einem Team möglichst still und leise zur Sektion zu schaffen. So war Kane außen vor und konnte sich immer auf Informanten berufen, da selbst in der Sektion niemand wusste, dass er ein aktiver Serienmörder war. Lukas wusste zwar, dass es Kane betreffend einige Gerüchte über seinen Geisteszustand gab, aber keiner ihrer Männer und Frauen würde von sich aus so lebensmüde sein, das offen auszusprechen. Jedenfalls nicht Kane oder ihm selbst gegenüber.

»Du hast mir doch verboten, sie weiter mit nach Hause zu nehmen und geknebelt im Kofferraum zu lassen, bis ich Zeit für sie habe. Dabei halte ich das immer noch für die praktikabelste Lösung, werter Ehemann.«

Lukas schnaubte. »Fang ja nicht so an. Wenn man dich mit einem Entführungsopfer im Kofferraum erwischt, ist das weit weniger praktikabel, als wenn zufällig in einem Hotelzimmer oder in einem Apartment jemand über besagtes Opfer stolpert. Das steht also nicht zur Diskussion, Herr Anwalt.«

»Manchmal gehst du mir wirklich auf die Nerven.«

»Und seit wann kümmert mich das?«

»Lukas!«, kam in einem derartig scharfen Tonfall durch die Leitung, dass Lukas ungewollt zusammenzuckte, um gleich im Anschluss abfällig zu schnauben. »Arroganter Arsch!«

Oh ja, und das musste er auch sein, um Kane weiterhin und regelmäßig die Stirn zu bieten, denn wenn er sich jemals von seinem Ehemann den Mund verbieten ließ, konnte er genauso gut sein Testament machen. Kane Hobbs umgab sich nicht mit Leuten, die ihn langweilten. Und das Monster in ihm würde in dieser Hinsicht auch nicht vor Lukas haltmachen, da konnte er Kanes Ring am Finger tragen soviel er wollte.

Lukas fiel der junge Mann an der Tankstelle wieder ein, der ihm die perfekte Möglichkeit bot, Kane auf eine für sie gute Art und Weise etwas zu ärgern. »Ich hatte auf dem Heimweg einen niedlichen Verehrer.«

»Ach ja?«

Der jetzt lauernde Tonfall war unverkennbar. Kane brauchte dringend Ablenkung von Sarah und dem, was er garantiert mit ihr tun würde, wenn Lukas ihn nicht besänftigte. Nur noch ein paar Stunden, dann war er wieder zu Hause und Kane würde ruhiger und zugänglicher werden. Wie meistens, wenn er ihn in greifbarer Nähe und somit in Sicherheit wusste.

»Blond, blaue Augen, höchstens Achtzehn, wenn überhaupt. Schlank, lange Finger mit gepflegten Nägeln, weich aussehende Haut«, wobei er die Pickel wegließ, die das Bild gestört hätten, das er in Kanes Kopf pflanzen wollte, weil sein Mann genau auf den Typ 'junge, süße Unschuld' abfuhr, sobald er sexuell Druck hatte, »volle Lippen, die sich mit Sicherheit wunderbar um meinen Schwanz angefühlt hätten.«

Kane knurrte. »Red nur weiter.«

»Er hat mich ein bisschen an den Typen erinnert, den du an Weihnachten im Club aufgegabelt hast. Der Kleine war hin und weg, von zwei so heißen Männern wie uns gewollt zu werden, weißt du noch?« Lukas leckte sich mitsamt einem genüsslichen Raunen über die Lippen. »Ich frage mich ja, ob der Arsch von dem Bengel an der Tankstelle genauso eng wäre, wenn ich jetzt umdrehe und herausfinde, ob er auf echte Männer steht.« Kane atmete hörbar ein. »Wir haben schon eine Weile nicht mehr zu dritt gespielt, Kane. Vielleicht sollten wir es mal wieder tun. Ich meine, die weiche Haut, schlanke, helle Glieder, die meistens so wunderbar gelenkig sind. Und sie können mit ihren Mündern in einer Art und Weise umgehen, dabei könntest du noch was lernen.« Kane zischte einen Fluch und Lukas wusste, dass er so gut wie am Ziel war. »Vielleicht muss ich mal wieder ein wenig Unterricht nehmen, was meinen Mund angeht. Du stellst dich doch bestimmt gern als Übungsobjekt zur Verfügung, oder?«

»Sieh zu, dass du zur Sektion kommst, Lukas, und wenn du mich das nächste Mal mit Sex manipulieren willst, sorge dafür, dass du in Reichweite bist, damit ich dich fertigmachen kann.«

Lukas legte lachend auf.

***

Und wusste sofort, dass etwas nicht stimmte, als er um kurz vor Mitternacht endlich am Tor der Sektion eintraf, wo Thomas, der Nachtwächter, ihn zwar begrüßte, dabei aber seinem Blick kaum standhalten konnte, während er ihn auf das weitläufige Gelände ließ und das hohe, mehrfach gesicherte Tor hinter ihm sofort wieder schloss.

Das Tor und der Zaun, der das gesamte Areal umlief, waren nur zwei von mehreren Sicherheitsmaßnahmen, zu denen auch gehörte, keine unterbezahlten Wachkräfte einzusetzen, darum gehörte Thomas mit zu ihrer Truppe, obwohl er hier draußen nur den Anschein eines harmlosen Nachtwächters gab. Thomas war Außenagent gewesen, konnte den Job aus Altersgründen jedoch nicht mehr ausüben und war heute vollends zufrieden damit, dafür zu sorgen, dass niemand Unbefugtes sich auf das Gelände Zutritt verschaffte.

Im normalen Leben war er IT-Spezialist, hatte einen Teil des Sicherheitssystems der Sektion entworfen und früher jahrelang für die digitale Sicherheit bei der CIA gesorgt. In einigen Jahren würde er in Pension gehen, denn auch dafür hatte Kane damals bei der Gründung seiner Sektion Vorsorge getroffen. Für den in seinen Augen unwahrscheinlichen Fall, dass einer seiner Leute lange genug überlebte, um sie in Anspruch zu nehmen. War das nicht der Fall, floss das Geld zurück an die Sektion, überwacht von einem Finanzgenie, das ebenfalls für sie arbeitete und vor acht Jahren mit Kanes Hilfe den Mörder seiner geliebten Frau, einen brutalen Sadisten, dingfest gemacht und beseitigt hatte.

Geschichten wie diese gab es in ihrer Truppe zuhauf, wobei vor allem die Älteren Kane treu ergeben waren, selbst wenn sie nicht mehr an Einsätzen teilnahmen. Lukas wusste, dass Kane die meisten manipuliert hatte, in dem er dafür sorgte, dass sie Rache üben konnten, aber einige waren so sehr von ihrer Sache überzeugt, dass sie für lau bleiben würden.

Dasselbe galt für Simone, die ihn an der Tür erwartete und nach einem kurzen Nicken in seine Richtung kehrtmachte, um schnurstracks zu den Verhörräumen voranzugehen. Lukas ging ihr nach, ohne eine Frage zu stellen, denn er ahnte bereits, dass er für Sarah zu spät kam. Jetzt galt es nur noch herauszufinden, wie schlimm es ausgeufert war.

»Verdammt noch mal«, fluchte er wenig später, als Simone den Blick auf die breite Scheibe freigab, hinter der er schon oft gestanden und Verhöre von Kane beobachtet hatte.

Er schloss kurz die Augen, in der Hoffnung, dass die blutige Sauerei hinter der Scheibe nur eine Einbildung seinerseits war, aber als er wieder hinsah, hatte sich das Bild im Inneren vom Verhörraum nicht geändert – leider. Lukas sah zu Simone, die stumm hinter ihm wartete und seinen wütenden Blick stoisch erwiderte.

»Bericht!«, befahl er, denn bevor er sich auf die Suche nach Kane machte, wollte er Details wissen.

»Sie hat ihn provoziert. Er verlangte einen Bericht über den Vorfall in Bulgarien und den Einsatz an sich. Letzteres gab sie ihm, doch den Mord an dem Bauer hat sie heruntergespielt. Ein Wort gab das andere, wir haben Sarah bis auf den Flur gehört, als sie Kane anschrie. Warum es am Ende so eskalierte, weiß ich nicht, weil das Gespräch nicht als Verhör gedacht war, weshalb es keine zweifache Sicherung durch uns hinter der Scheibe gab. Er hat trotzdem die sonst normale Überwachung eingeschaltet. Sie können sich das Band jederzeit ansehen.«

»Wo ist Kane jetzt?«, fragte Lukas und schürzte die Lippen, als sein Blick auf ein Ohr fiel, das neben einem Tischbein lag. Es war kein Teil mehr von Sarahs Körper und Lukas fragte sich, ob sie wohl bereits tot gewesen war, als Kane es ihr abgeschnitten hatte. Es würde darauf ankommen, was Sarah zuvor getan oder gesagt hatte.

»Im Atrium.«

Lukas rieb sich die Augen, dann nickte er. »Ich rede mit ihm und finde heraus, was da drin passiert ist. Kümmert euch bitte um Sarahs Überreste und säubert den Raum. Behandelt sie mit Respekt.« Er suchte Simones Blick. »Mir ist klar, was ich damit von dir verlange, weil ihr auch privat ab und zu Kontakt hattet, aber wir brauchen den Raum für Sergej Romanov.«

Simones Augen weiteten sich. »Sie haben ihn geschnappt?«

»Kane hat ihn geschnappt. Ein Informant hat ihn angerufen und der Rest war ein Kinderspiel. Wir schicken später ein Team hin. Er ist bis Sonnenaufgang außer Gefecht.«

»Ich möchte das Team anführen, Sir.«

Etwas anderes hätte ihn auch gewundert. Die Sektion, allen voran Simone, jagte Romanov seit vier Jahren quer durch das ganze Land, weil er gern weibliche, meist obdachlose Teenager entführte, sie süchtig machte und dann an den Meistbietenden versteigerte – für Sexspielchen oder Schlimmeres. Weil sich die hiesigen Behörden für Obdachlose, egal welchen Alters, kaum interessierten, waren sie dem eingewanderten Russen nur auf die Schliche gekommen, weil eines seiner Opfer knapp vor dem Verkauf an einen stinkreichen Scheich entkommen war und sich zu seiner Schwester geflüchtet hatte – zu Simone. Geholfen hatte es nicht, weil sie drei Monate später an einer Überdosis gestorben war, und als Kane auf diese Geschichte stieß, hatte er nicht gezögert und Simone rekrutiert, die eigentlich Lehrerin an einer Highschool war, sich nach dem Tod ihrer Schwester aber sehr schnell umorientiert und bei einem Ex-Seal das Kämpfen und Töten gelernt hatte. Besagter Seal gehörte auch zur Sektion und trainierte jeden, der in Außeneinsätze ging, für die er selbst schon zu alt war. Allerdings war der Mann ein Meister, wenn es darum ging, mit Waffen, die man überall fand – Küchenmesser, Steine, Draht, ein schweres Buch –, schnell und geräuschlos zu töten, und dabei möglichst keine Spuren zu hinterlassen.

»Einverstanden. Du wirst nicht am Verhör beteiligt sein.«

»Das habe ich auch nicht erwartet. Ich kenne unsere Regeln und halte sie für richtig und wichtig.« Simone atmete bewusst durch. »Ich bitte Sie darum, zusehen zu dürfen.«

»Akzeptiert. Nimm nachher vier Männer mit.«

»Verstanden!«

»Wegtreten.«

»Sir? Eine letzte Sache noch«, bat Simone und Lukas nickte. »Sarah hatte jemanden kennengelernt. Ein Kinderarzt, so weit ich mitbekommen habe. Sie hat nie viel über ihn gesagt, es war wohl noch sehr frisch. Soll er benachrichtigt werden?«

Lukas wägte Vor- und Nachteile von beiden Möglichkeiten ab, und entschied sich am Ende dagegen. Je nachdem, wie eng der Kontakt gewesen war, würde der Mann Sarah als vermisst melden, doch als ungebundene Frau Mitte Dreißig, mit einem normalen Lebenslauf und ohne Familienangehörige, würde die Polizei nicht lange nach ihr suchen und die Akte ruckzuck kalt werden. Es lohnte den Aufwand nicht, den ein Partner sonst in der Hinsicht machte, sobald ein Mitglied ihrer Truppe verstarb und Kane und er entschieden, denjenigen zu informieren, um ihm oder ihr die Gelegenheit zu geben, den in derartigen Fällen üblichen Trauerprozess zu durchlaufen.

Was besagte Partner nicht wussten, war, dass sie hinterher für mindestens ein Jahr unter Beobachtung standen, damit sie sichergehen konnten, dass im Nachhinein keine unangenehmen Fragen aufkamen oder Nachforschungen angestellt wurden.

»Nein. Wir belassen alles, wie es ist. Wohnung, Auto, Konto. So sieht es für diesen Mann und die Behörden aus, als hätte sie einfach entschieden, ein neues Leben anzufangen. Irgendwann wird man sie für tot erklären und die Akte schließen.«

»Verstanden, Sir«, sagte Simone und ließ ihn allein.

Lukas legte den Kopf in den Nacken, um dann einen letzten Blick in den Verhörraum zu werfen. Auf das, was vor wenigen Stunden noch ein Mensch gewesen war. Jetzt konnte er Sarah nur anhand ihres Zopfes erkennen, den sie jeden Tag getragen hatte, weil sie es nie über sich gebracht hatte, ihre langen Haare abzuschneiden, so wie Simone es damals getan hatte, um einem Verbrecher keinen unnötigen Angriffspunkt zu geben. Es gab in der Sektion keine Vorschrift, die Haare kurz zu tragen, aber es gab ein Video von einem Verhör, wo ihr langes Haar einer Frau zum Verhängnis geworden war.

Ein Fehler, den die zuvor von Lukas rekrutierte, ehemalige Polizistin mit ihrem Leben bezahlt hatte, und seither gehörte das Video zum Lehrmaterial, das jedem Neuling gezeigt wurde, damit derjenige begriff, womit sie es hier in der Sektion Tag und Tag zu tun hatten.

Er ließ Sarahs sterbliche Überreste zurück und machte sich auf den Weg ins Atrium, einem offenen Bereich in der Mitte des Hauses, das in seinem Aufbau dem Pentagon nachempfunden war, wenn auch bedeutend kleiner. Für Lukas war das gesamte Haus ein Meisterwerk heutiger Baukunst, vor allem besagtes Atrium, das bei Bedarf – bei schlechtem Wetter oder Ähnlichem – überdacht werden konnte. Genauso konnte es dem Erdboden bis in die unterirdischen Etagen gleichgemacht werden, wobei es hoffentlich nie dazu kam.

Kane hatte geduscht, sein Haar war noch leicht feucht, und saß nahe des Koi-Teiches, den sie vor zwei Jahren im Atrium aufgebaut hatten.

Eine Idee von Sarah, die sich für Fische interessiert hatte, da selbige sie beruhigen würden. Es hatte nicht lange gedauert, bis der Effekt auf ihre Truppe übergriff, besonders nach schweren Einsätzen, darum hatten sie mittlerweile im gesamten Gebäude Aquarien stehen, die ebenso rege frequentiert wurden wie das Atrium selbst, eine Oase aus Bäumen, Sträuchern, blühenden Pflanzen und mit Steinen ausgelegten Wegen, über die man Tag und Nacht schlendern konnte, denn wo es tags die Sonne war, sorgten nachts entweder der Mond oder die Solarbeleuchtung für ausreichende Sicht. Kane hatte eigens für das Atrium einen Gärtner eingestellt, so wie für die Mensa, die es ebenfalls gab, um die im Haus lebenden Männer und Frauen zu versorgen, ein Koch täglich fünf kalte und heiße Mahlzeiten zubereitete.

Der Gärtner und der Koch waren die einzigen, die nicht auf irgendeine Weise mit der Sektion verbunden waren, und doch würden sie für Kane durchs Feuer gehen, denn beide Männer hatten Menschen verloren, die sie liebten, und Kane hatte dafür gesorgt, dass die Täter bestraft wurden – mit dem Tod.

So brutal Kane auch sein konnte, er verstand die Wichtigkeit einer psychisch gesunden und damit starken Einsatztruppe. Na ja, so gesund, wie jeder der Sektion sein konnte jedenfalls.

Lukas setzte sich zu seinem Mann auf die Bank und wartete. Er wusste, dass Kane mit ihm sprechen würde. Er brauchte nur immer einige Zeit, um sich dazu zu entschließen. Für Kane war ihre private Beziehung, ihre Ehe, überlebenswichtig geworden, doch gleichzeitig kämpfte er weiter dagegen an, in dieser Form an jemanden gebunden zu sein.

»Ich hätte sie gehen lassen. Ich habe sie vor die Wahl gestellt, ihr Verhalten zu ändern oder die Sektion zu verlassen. Sie nahm Option zwei und das Thema war erledigt … Bis sie mir erklärte, sie würde privat nach Bulgarien zurückkehren, um zu Ende zu bringen, was nötig wäre. Da ich diese Dinge auf dieselbe Weise regle, würde ich das verstehen.«

Lukas erstarrte. Das war unmöglich. Sarah konnte gar nicht wissen, was Kane abseits der Sektion und seiner anderen Arbeit als Staatsanwalt von Detroit tat. Niemand wusste davon. Nicht einmal er hätte es gewusst, hätte er Kane damals nicht zufällig dabei überrascht, nachdem sie sich das erste Mal in einem Club über den Weg gelaufen waren, beide auf der Suche nach Sex, den sie dann auch genossen hatten.

Dass er Kane später folgte und ihn dabei ertappte, wie der Patrick Scott mit einem Skalpell ganz langsam tötete, einem seit einigen Monaten gesuchten Frauenmörder, der seine Opfer mit 72 Skalpellschnitten und -stichen qualvoll hinrichtete – dieselbe Zahl von Stichen war später an Scotts Leiche gezählt worden –, Lukas hätte Kane noch in der Nacht verhaften müssen, aber er hatte es nicht getan. Er war gar nicht auf die Idee gekommen. Stattdessen hatte er Kane dabei geholfen, mögliche Spuren zu verwischen, war ihm nach Hause in dessen Stadthaus gefolgt und geblieben.

Das war nun über ein Jahrzehnt her und er würde auch das nächste Jahrzehnt und alle Jahre, die darauf noch folgten, dicht an Kanes Seite sein, denn das war der Platz an den er gehörte und wo er auch gebraucht wurde, um Kanes Monster so gut es ihm möglich war, im Zaum zu halten.

»Wie hat sie davon erfahren?«, fragte er leise, denn obwohl das Atrium nicht engmaschig überwacht wurde, wie der Rest des Gebäudes, durfte niemand dieses Gespräch hören.

»Ich weiß es nicht. Sie hat bis zuletzt geschwiegen und war zugleich bereit, dieses Wissen gegen mich einzusetzen, falls ich mich weigere, ihrem Plan zuzustimmen.«

Und damit hätte Sarah die Sicherheit der Sektion gefährdet, was ihr Schicksal besiegelt hatte, denn das war ein Punkt, den Kane nicht hinnahm. Niemals. Er war durchaus bereit, Männer und Frauen zurück in die normale Welt ziehen zu lassen, sofern die das wollten, auch wenn er es insgeheim für Verschwendung von wichtigen Aktivposten hielt. Aber sein Mann hatte in den letzten Jahren gelernt, zu akzeptieren, dass seine oft endgültige Lösung nicht unbedingt das Nonplusultra war.

Allerdings gab es Ausnahmen von dieser Regel, und Sarah war eine davon, denn Kane zu erpressen, war niemals eine gute Idee. Nicht mal im Scherz.

Die einzige Person, die das überleben konnte, war er selbst. Lukas suchte Kanes Blick. »Erzähl mir, was passiert ist. Und ehe du mich das fragst, nein, ich habe mir das Überwachungsband nicht angesehen.«

»Warum nicht?«, fragte Kane und schob dabei einen Ärmel seines Pullovers hoch. Ein weißer Verband wurde sichtbar.

»Weil ich weiß, wie du arbeitest, und ich will diesen Vorfall von meinem Mann hören, nicht von dem Monster in ihm, das auf die Erpressung reagiert und gehandelt hat.« Lukas deutete auf Kanes Verband. »Was ist das?«

»Sarah. Sie hat mich mit einer versteckt getragenen Klinge angegriffen. Der erste Schlag ging von ihr aus, nicht von mir. Ich wollte mein Wort dir gegenüber halten, doch das hat sie mir unmöglich gemacht, als sie auf mich losging.«

Ein weitere, rote Linie, die Sarah überschritten hatte. Lukas entschied, dass er weitere Details nicht zu wissen brauchte. Er erhob sich und streckte eine Hand nach Kane aus. »Wir fahren jetzt nach Hause. Simone holt Romanov bei Sonnenaufgang ab, und bei diesem Verhör müssen wir ausgeruht sein.«

Kane starrte seine Hand an, bis Lukas grinste, weil Kane mit derartigen Gefühlsbezeugungen genauso viel anfangen konnte, wie mit einer kitschigen Liebeserklärung – nämlich gar nichts. Was nicht hieß, dass er dazu bereit gewesen wäre, deshalb auf beides zu verzichten. »Ja, ich weiß, aber lass mich heute Nacht in dem Glauben, dass dein inneres Monster mich genauso liebt, wie ich dich liebe.«

»Lukas«, grollte Kane, griff aber zugleich nach seiner Hand und ließ sich auf die Beine ziehen. »Ich fahre. Und ich habe für dich gekocht.«

Lukas lächelte überrascht. »Danke.«


»Ach, sei still.«


Kapitel 2

Sarah nach Bulgarien zu schicken, war heikel.

Kane hatte das von Anfang an gewusst, aber sie war derzeit diejenige im Team, die am besten Bescheid über das Netzwerk vor Ort Bescheid wusste. Darum hatten Lukas und er sie auch geschickt, mit zwei weiteren Zwei-Mann-Teams zur Hilfe und Rückendeckung. Kane hatte so seine Zweifel, ob das ausreichte und ob er mit seinem Schweigen, Sarah betreffend, nicht einen Fehler gemacht hatte, aber nun war es zu spät, die monatelang akribisch geplante Operation längst angelaufen und Lukas war die nächsten Tage außerdem unterwegs.

Das bedeutete einsame Nächte in einem leeren Haus, einem leeren Bett, einem leeren Alles.

Kane murmelte einen saftigen Fluch, als ihm aufging, wie erbärmlich er sich benahm. Dabei waren seine Schreibtische in der Sektion und auch in seinem Büro voller Arbeit und wenn er es darauf angelegt hätte, hätte er gut und gerne die Tage bis zu Lukas' Rückkehr durcharbeiten können, um sich dafür einen verärgerten Tadel abzuholen, weil Lukas darauf bestand, dass sie alle regelmäßig schliefen und Pausen machten.

Er bestand sogar auf Urlaub. Jahr für Jahr.

Gab es etwas Sinnloseres, als tagelang gelangweilt zu Hause zu sitzen und die Füße hochzulegen?

Nicht in Kanes Augen, wobei er zugeben musste, dass diese Urlaube in den letzten Jahren dank Lukas durchaus interessant gewesen waren. Einmal diese Schnitzeljagd im Grand Canyon, deren Ziel ein Zwei-Mann-Zelt für eine Nacht, völlig allein und nur umgeben von der Natur und den leuchtenden Sternen am Himmel gewesen war. Dann die Wanderung auf einem Teil des Appalachian Trail, wo sie am letzten Tag unerwartet über einen gesuchten Polizistenmörder gestolpert waren, der in ihnen eine leichte Beute gesehen hatte. Seine Überreste dürften Tiere und das Wetter mittlerweile in alle Winde zerstreut haben.

Er dachte an den großen Megalodon-Zahn in seinem Büro, den Lukas erst im letzten Jahr in North Carolina entdeckt hatte. Kane konnte sich an den Namen des Strandes nicht erinnern, weil sie dort nur Pause gemacht hatten, um sich die Beine zu vertreten, ehe Lukas das Wohnmobil, das für zwei Wochen ihr Heim gewesen war, weiter Richtung Norden gesteuert hatte.

Ein Roadtrip an der Küste entlang, nur sie beide.

Kane fragte sich, wohin Lukas ihn in diesem Sommer oder auch Herbst, je nachdem, wann sie es bei ihrer Arbeit zeitlich einrichten konnten, entführen würde, und er freute sich darauf. Worüber er sich natürlich gleichzeitig ärgerte.

Lukas Hobbs.

Eigentlich Lukas Williams.

Jedenfalls früher, bevor Kane diesem riesigen, muskulösen Mann, der im Grunde nicht mal sein Typ war, in einem Anfall von Irrsinn einen Antrag gemacht und ihm einen Ring an den Finger gesteckt hatte, als Lukas tatsächlich Ja sagte und am Tag ihrer Eheschließung sogar seinen Namen annahm.

Er vermisste Lukas, dabei war der erst zwei Tage weg.

Egal. Er vermisste ihn immer, sobald er loszog, um quer im ganzen Land nach seinen wichtigen Schützlingen zu sehen, und gleichzeitig ärgerte er sich unglaublich darüber, dass er seinen Ehemann vermisste. Er ärgerte sich über so vieles, was Lukas in seinem Leben betraf, und trotzdem wollte er ihn. Immerzu und für den Rest seines Lebens.

Dabei hatte Kane vor Lukas niemals heiraten wollen.

Er hatte nicht mal eine engere Bindung gewollt.

Es war um Sex gegangen. Um Befriedigung seiner Triebe, in der Hoffnung, damit die dunkleren Triebe in ihm eine Weile im Zaum zu halten. Stattdessen tat das Lukas, auch wenn es nicht immer gelang. Manchmal musste er in der Nacht einfach raus, tief hinein in die finstersten Ecken von Detroit, und jemanden töten, den niemand vermisste und der es vor allem verdiente, damit er tagsüber wieder seine beiden Jobs machen konnte. Als Staatsanwalt der Stadt und später als Führer seiner Truppen.

Kane zog eine zynische Grimasse.

Lukas würde ihm was erzählen, wenn er diesen Begriff laut aussprach. Sie waren Anführer, Befehlsgeber, Soldaten. Was im Grunde dasselbe war wie Führer, aber Lukas hasste das Wort, weil es ihn an dunkle Zeiten in Europa erinnerte, an den Mann, der sich einen Führer genannt und dabei ohne zu zögern Leute ermorden ließ, sobald sie Kritik an ihm übten. Der beinahe ein ganzes Volk und all jene, die nicht seiner persönlichen Norm entsprachen, verbrannte, vergaste, folterte, sie verhungern ließ oder Schlimmeres.

Also genau das, was im Moment überall auf der Welt, wenn auch im Kleinen, wieder begann, und offenbar waren die Leute in den betroffenen Ländern auch heute zu naiv, zu dumm oder schlichtweg nicht willens, ihre narzisstischen Machthaber vom Thron zu stoßen und zu töten, wie sie es verdienten.

»Du kannst nicht alle töten, Kane. Davon wird die Welt auch kein besserer Ort.«

Lukas kannte seine Gedanken dazu und er war dagegen. Es war nicht mal so, dass er es nicht verstand, doch laut Lukas gab es zu viele Machthaber in unterschiedlichsten Positionen, und selbst wenn man sie alle tötete, würde das an den überall auf der Welt vorherrschenden Problemen nichts ändern.

Sie hatten schon so oft darüber diskutiert und sie würden es auch weiterhin tun, das wusste Kane.

***

»Veränderungen müssen von den Menschen vor Ort mitgetragen und gewollt sein, doch an diesem Punkt sind die Leute nicht. Werden es vielleicht nie sein. Noch geht es ihnen einfach zu gut. Sie wollen in ihrer kleinen Blase der Zufriedenheit bleiben, selbst wenn sie wissen, dass diese Blase reine Illusion ist.«

»Sie sind Feiglinge.«

»Nein, Kane, sie haben Angst. Sie haben Angst vor Monstern wie dir, die sie sich nicht mal in ihren schlimmsten Albträumen vorstellen können. Es ist leichter, so zu tun, als wäre alles gut, statt einzusehen, dass man durch sein eigenes Nichtstun die Entwicklung in die falsche Richtung stillschweigend mitgetragen hat.«

»Was sie immer noch zu Feiglingen macht.«

»Auch Feiglinge können sich ändern.«

***

Lukas war zu seinem Gewissen geworden, ein Umstand, an dem Kane tagtäglich zu knabbern hatte, denn das Monster tief in ihm wollte seine Unabhängigkeit nicht aufgeben, während er selbst sich zu sehr nach der Liebe von Lukas sehnte, als dass er bereit gewesen wäre, jemals freiwillig darauf zu verzichten.

»Ich hätte ihn umbringen sollen, als er mich damals in der Gasse erwischt hat.«

Kane schnaubte nach seinen brutal ehrlichen Worten, denn das stand überhaupt nicht zur Debatte. Das hatte es nie getan, nachdem dieser US-Marshal in jener Nacht schweigend auf ihn zu getreten war und ihm dabei geholfen hatte, sowohl Spuren als auch die Leiche von Patrick Scott verschwinden zu lassen. Er war so erstaunt gewesen, den Mann nach ihrer Nummer in dem Darkroom des Clubs wiederzusehen, dass er erst begriff, was er da tat, als Lukas bereits in seinem Stadthaus neben ihm im Bett lag und schlief.

Er erinnerte sich an ihre erste gemeinsame Nacht, als wäre es gestern gewesen, und Kane hatte auch nicht das am nächsten Morgen folgende Gespräch vergessen, dass sie zu Partnern und Lukas zu einem Mitwisser gemacht hatte.

***

»Du bist ein Mörder.«

»Serienmörder ist der fachlich korrekte Begriff«, antwortete Kane trocken, während er einen Teig für Pancakes zusammenrührte, weil er doch arg bezweifelte, dass ein Mann dieser Statur von einer Schüssel Cornflakes satt wurde.

»Wie viele?«

Kane warf einen ungläubigen Blick über seine Schulter hinüber zur Kücheninsel, wo Lukas Williams saß und ihn nachdenklich ansah. »Ich zähl die doch nicht.«

Was für eine abstruse Frage. Wie sollte er denn wissen, wie viele Menschen er schon getötet hatte? Führten andere Serienmörder etwa entsprechende Listen? Wohl kaum. Obwohl, wissen konnte man das nie, denn ein Serienmörder war nun mal nicht ganz richtig im Kopf, daher war unberechenbares Verhalten durchaus möglich. Trotzdem. Er mochte ja verrückt sein, psychisch gestört, sagte man dazu, allerdings war er nicht so verrückt, um Listen über seine Opfer anzufertigen, am besten noch mit Datum, Todeszeitpunkt, Todesart und Grabstelle, um es den Strafverfolgungsbehörden leichter zu machen, sollten sie ihm eines Tages auf die Schliche kommen, womit Kane nicht mal rechnete, denn dafür war er zu clever.

Aber selbst für den unwahrscheinlichen Fall, das es doch so kam, würde er ihnen garantiert nicht die nötige Arbeit abnehmen, um ihn ins Gefängnis zu stecken. So weit kam es noch.

Außerdem interessierten solche Dinge bei seinen Opfern ohnehin keinen, der noch ganz bei Trost war. Wen kümmerte denn bitteschön ein toter Kinderschänder, ein Vergewaltiger oder ein Serienmörder?

Verstieß das eigentlich gegen irgendeine Berufsehre, dass er schon fünf seiner eigenen »Kollegen« aus dem Weg geräumt hatte, da er sie weder in Detroit haben wollte, in seinem eigenen Revier sozusagen, noch scharf darauf gewesen war, durch ihre Schlampigkeit unnötige Aufmerksamkeit auf seine eigene Arbeit zu ziehen.

»Dir ist klar, dass ich dich sofort verhaften müsste?«, fragte Lukas und riss ihn aus seinen Gedanken.

Die Drohung war Kane allerdings nicht mal ein Schnauben wert, weil sie das ja wohl letzte Nacht schon geklärt hatten. Andererseits, es konnte nie schaden, deutlich und ehrlich zu sein. »Ist dir klar, dass du den Versuch nicht überleben würdest?«

Die nächste Zeit verging schweigend, während Kane für sie beide Frühstück machte, anschließend, als Lukas das Geschirr abwusch und seine Küche aufräumte, unter die Dusche ging und sich danach schick anzog, um ins Gericht zu fahren, weil er heute zwei Verhandlungen hatte, und am Ende hinter Lukas die Tür zu seinem kleinen Stadthaus verschloss, das er sich aus einer Laune heraus gekauft hatte, weil es etwas außerhalb lag und Kane von dem anhaltenden Krach und Dreck in der Innenstadt schlichtweg die Schnauze voll gehabt hatte.

»Ich werde herausfinden, wer du bist wirklich bist, Kane Hobbs«, murmelte Lukas neben ihm und warf dabei einen Blick auf die Kübel voller blühender Blumen, die er auf der überdachten Veranda verteilt hatte, weil das in dieser schickeren Wohngegend nun mal üblich war und er nicht auffallen wollte. Zudem hatte er als Staatsanwalt einen gewissen Ruf, den es zu pflegen galt. Zumindest so lange, wie es hieß, dass er jedes Wochenende mit einer anderen Frau ins Bett ging, aber sonst sein Singledasein genoss.

Ein Gerücht, das jemand in seinem Büro in die Welt gesetzt hatte, obwohl sie wussten, dass er Männer bevorzugte, weil Kane daraus nie einen Hehl gemacht hatte.

Ihm selbst war solcher Klatsch vollkommen egal und solange ihm deshalb niemand Steine in den Weg legte, was seine Karriere anging, sollten sie über ihn tratschen, so viel sie wollten. Manchmal fand er es sogar belustigend, sie dabei zu beobachten, wenn sie glaubten, dass er nichts sah und nichts hörte. Dabei hörte Kane alles und er merkte sich vieles, weil Informationen Macht bedeuteten, und er hatte vor, davon in seinem Leben noch eine Menge anzuhäufen.

Doch das hatte Zeit. Im Moment war dieser ungewöhnliche Mann an seiner Seite bedeutend interessanter, und es würde sich zeigen, ob und wie viel Geduld Lukas Williams tatsächlich hatte, wenn es darum ging, mehr über ihn herauszufinden.

»Viel Spaß dabei, Marshal Williams.«

***

Anfangs waren ihre Gespräche meistens kurz gewesen, weil sie wie ungezähmte, wilde Tiere umeinander herumgeschlichen waren, aber Lukas war trotzdem immer wieder gekommen und Kane hatte ihm im Gegenzug immer wieder die Tür zu seinem Haus, zu seinem Schlafzimmer und später sogar zu sich selbst geöffnet, obwohl ihm das erst nach einiger Zeit klar geworden war, und da war es zu spät gewesen, um umzukehren, woran sich nichts geändert hatte und es auch nie tun würde.

Sein Handy piepte und zeigte eine neue Nachricht an, was Kane die Stirn runzeln ließ, da er auf dem Weg nach Hause war und heute Abend nicht mehr damit gerechnet hatte, dass er ein Update aus Bulgarien bekam. Sie waren morgen früh zu einer Lagebesprechung verabredet.

Er rief die Nachricht auf und fuhr abrupt rechts an. Sie war nicht von Sarah, sondern von einem der Männer, die sie bei der Aktion begleiteten, und was er schrieb, bedeutete Ärger.

Sarah hat einen Einheimischen getötet.
Der Auftrag ist gefährdet.
Erbitte dringend Anweisungen.

Kane verbot sich einen Fluch.

Sein Gefühl, Sarah betreffend, hatte ihn nicht betrogen, aber um diesen Fehler konnte er sich jetzt nicht kümmern. Er hatte fünf Leute in ein Dorf geschickt, die einen dortigen Snuff-Club für immer dichtmachen und die anwesenden Täter ausschalten sollten, und da sie dort auf sich allein gestellt waren, lag es nun an ihm, sich darum zu kümmern, dass seine Leute es erstens unbeschadet wieder nach Hause schafften – was infrage stand, denn die Polizeibehörden vor Ort waren allesamt korrupt – und dabei zweitens, sofern möglich, ihren Auftrag erledigten.

Was Letzteres betraf, machte Kane sich keine Illusionen. Die Gelegenheit hatten sie dank Sarah mit Sicherheit verpasst. Aber die Unversehrtheit seiner Leute war machbar, sofern er noch in dieser Nacht an ein Flugzeug herankam. Doch für solche Fälle kannte er jemanden. Er kannte immer jemanden. Nur deshalb hatte er es schließlich so weit gebracht.

***

Am nächsten Abend hatte er alles organisiert und auch zum Laufen gebracht, sodass er Lukas informieren konnte. Dass das folgende Telefonat ein bisschen ausuferte, kannte er bereits, wie auch Lukas' Art, ihn mit dem Kerl an der Tankstelle zu necken. Ob er sich jemals daran gewöhnen würde, dass sein Mann alles tat, damit es ihm gut ging, stand in den Sternen, aber er wusste den immer wiederkehrenden Versuch zu würdigen, auch wenn er ihn nicht erwidern konnte, denn Kane wusste nicht, wie man jemanden neckte, wie Lukas es immer nannte.

Kane wusste allgemein nicht viel über Gefühle. Er hatte die Grundbegriffe und ihre Bedeutung erlernt, um mit seiner sonst meist kühlen Direktheit nicht ständig anzuecken, die ihm zwar beruflich als Staatsanwalt gute Dienste leistete, im Privatleben aber vor allem eines war – hinderlich. Dennoch war ihm genau wie Lukas klar, dass sein Verstand völlig anders funktionierte und er niemals so sein würde wie »normale« Menschen. Lukas tat das mit einem Schulterzucken ab, weil er ihn so liebte, wie er war, und da Lukas ihn noch niemals belogen hatte, in keinem Belang, glaubte er ihm.

»Die Maschine ist gelandet, Sir.«

Mit einem Nicken verließ Kane ihre Schaltzentrale, mehr ein großer Technikraum, wo alles zusammenlief, die Überwachung, die Informationsbeschaffung und diverse Live-Schaltungen, die sie bei manchen Einsätzen brauchten. Sie lag unter der Erde, im dritten Untergeschoss, gemeinsam mit den Verhörräumen, dem Trainingsbereich, einem Schießstand und dem Krematorium, in dem sie diejenigen, die sein Verhör nicht überlebten, für immer entsorgten.

Auch Sergej Romanov würde dort enden.

So unangenehm die letzten 24 Stunden begonnen hatten, so erfolgreich war seine letzte Jagd gewesen, und Romanov dessen Informationen über den Kinderschänderring zu entlocken, den der regelmäßig mit Frischfleisch in Form von jungen Teenagern belieferte, würde nach dem Chaos, das Sarah mit ihrem Mord an einem Einheimischen ausgelöst hatte, äußerst befriedigend sein. Wer sich an unschuldigen Kindern vergriff, würde leiden, und zwar bis zu seinem letzten Atemzug, und was das anging, war jedes Mitglied in seiner Sektion dieser Meinung.

Kane wusste, dass sein inneres Monster gerade ein richtiges Hoch hatte. Erstens wegen der Aussicht, bald Romanov in die Finger zu kriegen, und zweitens, weil Lukas auf dem Heimweg war, denn dass er seinen Trip durchs Land nach seinem Anruf abbrechen würde, hatte Kane gewusst. Darum hatte er auch für seinen Mann Abendessen gekocht, bevor er sich auf dem Weg zurück in die Sektion gemacht hatte, um in aller Ruhe Sarahs Rückkehr abzuwarten.

»Ich koche für meinen eigenen Ehemann«, murmelte er auf dem Weg in die Tiefgarage, wo er Sarah in Empfang nehmen wollte. »Ich muss verrückt sein.«

Das war er, sogar in zweifacher Hinsicht. Und während er so einiges dafür getan hätte, seine geistige Verrücktheit besser kontrollieren oder vielleicht sogar loswerden zu können, wollte er auf die zweite Verrücktheit, die den Namen Lukas trug, nicht mehr verzichten. Andererseits liebte Lukas auch den Mörder in ihm, und wenn er aufhörte zu töten – was er nicht konnte, aber er konnte zumindest das Gedankenspiel spielen –, würde Lukas ihn vielleicht nicht mehr lieben.

Es war ein ewiges Karussell an Gedankenspielereien, seit er Lukas geheiratet hatte, aber Kane sah es als Herausforderung, der Mann zu sein, der er sein musste, um Lukas zu halten, und bisher schien er sich dabei ganz gut anzustellen. Nicht, dass er Lukas gehen lassen würde, wäre es anders. Lukas gehörte ihm, für den Rest ihres Lebens, so wie er seinem Mann gehörte. Kane wusste, dass diese Denkweise das Gegenteil von geistig gesund war, was ihn jedoch nicht im Geringsten kümmerte. Lukas hatte sich für ihn entschieden, also gab es kein Zurück mehr.

***

Genauso wie es für die Frau – von der Kane einmal geglaubt hatte, dass sie eines Tages dazu bereit und würdig sein würde, in seine Fußstapfen zu treten –, die eine halbe Stunde später aus einem SUV mit getönten Scheiben stieg und mit entschlossenen Schritten auf ihn zutrat, kein Zurück mehr gab.

»Sir.«

»Hallo, Sarah.« Er nickte den Männern zu, die sie begleitet hatten, denn das jetzt Folgende würde zwischen ihm und Sarah bleiben, bis Lukas zurück war und sie gemeinsam über Sarahs Schicksal entschieden. Dabei wusste Kane bereits, wie ihr Urteil ausfallen würde. Bei einer Befehlsverweigerung gab es keinerlei Spielraum – jedenfalls nicht für ihn. »Lasst uns allein.«

»Ja, Sir.«

Sie erwiderten sein Nicken und gingen, obwohl beide mit diesem Befehl augenscheinlich nicht glücklich waren. Doch das Recht auf Widerworte ihm gegenüber hatte in ihrer Sektion nur ein Mann und der würde erst in einigen Stunden eintreffen.

Es war nicht so, dass Kane überhaupt nicht mit den Frauen und Männern diskutierte, die in der Sektion für sie arbeiteten, oder dass er niemals eine andere Meinung einholte und sogar akzeptierte. Nur ein arroganter Blödmann hielt seine Meinung für die einzig Wahre. Darum wurden die meisten Serienmörder auch gefasst. Sie hielten sich für zu klug, für zu gut, glaubten, dass sie nie Fehler machten, und je mehr sie diesem Glauben verfielen, umso größer wurde ihre Fehlerquote.

Das war etwas, das Lukas ihn gelehrt hatte, denn auch Kane war vor ihrer Beziehung auf dem besten Weg in diesen irrigen Kreislauf gewesen, und selbst heute noch, wenn das Monster in ihm die Oberhand gewann, hielt er sich für zu clever, um jemals geschnappt zu werden. Doch dann erinnerte er sich daran, wie Lukas genau das gelungen war, und zwar nur, indem er ihm in einer kalten, einsamen Nacht zufällig folgte.

Und Lukas würde ihn ohne zu zögern ausschalten, sollte er irgendwann auf die Idee kommen, sich ernsthaft gegen ihn und die Sektion zu wenden, weil er sich für Gott hielt. So wie dieser Dummkopf von Gruber es getan hatte, bis ihm Maxwell Stone mit einer Waffe bewies, dass er ein weitaus besserer Mann und Kämpfer war, als sein Peiniger es je begriffen hätte.

Die Welt war voller Dummköpfe, vor allem unter jenen, die glaubten, besser zu sein, was Sarah vor ihm eindrucksvoll unter Beweis gestellt hatte, als sie gegen seinen ausdrücklichen Befehl verstieß, für die Menschen und Behörden vor Ort immer unter dem Radar, sprich, von Beginn bis Einsatzende unauffällig zu bleiben, und sie hatte das in einer Art und Weise getan, dass es für Kane einer Befehlsverweigerung, fast schon einer Meuterei gleichkam, und dazu hatte sie keinerlei Recht.

Wie hatte Sarah ihn nur so enttäuschen können?

Andererseits wusste er seit einiger Zeit, dass sie begonnen hatte, in die falsche Richtung abzudriften, doch mit Geduld und Nachsicht, wie Lukas es ihm beigebracht hatte, war er offenbar der sinnlosen Hoffnung verfallen, sie zurück auf den richtigen Weg zu bringen. Zurück an seine Seite. Als sein Protegé. Seine Schülerin. Wie auch immer man es nennen wollte.

Vielleicht wäre Simone doch die bessere Wahl gewesen, was das betraf. Nein, das wäre sie nicht. Kane schob den unsinnigen Gedanken beiseite, denn Simone war für diese Dinge, die er mit Sarah geteilt und die er ihr beigebracht hatte, leider ungeeignet. Simone wäre eine gute Leiterin für die Sektion, aber bestimmte Verhöre würden weiterhin ihm vorbehalten bleiben, denn Sarah hatte jedes Recht verwirkt, in Zukunft je wieder mit ihm daran teilzunehmen.

»Folge mir!«, befahl er und Sarah tat es.

Eigentlich hatte er vorgehabt, in aller Ruhe in seinem Büro mit ihr zu reden, stattdessen führte ihn sein Weg wie von selbst in einen der Verhörräume, wo er mit kurzer Berührung seines Fingern auf dem Scanner an der Tür das Überwachungssystem einschaltete. Falls Sarah das registrierte, wovon er ausging, war es ihr augenscheinlich nicht wichtig genug, um nachzufragen aus welchem Grund er es tat, immerhin gehörte sie zur Sektion. Hätte sie gefragt, hätte Kane es ihr nicht sagen können, weil es mehr ein Gefühl gewesen war, den Scanner zu betätigen, doch er hatte schon in jungen Jahren gelernt, seinem inneren Gefühl zu vertrauen.

Darum nahm er jetzt ruhig auf seinem üblichen Stuhl Platz und wartete, bis sie es ihm auf der anderen Tischseite nachtat. »Ich erwarte einen ausführlichen Bericht. Jetzt!«

Sarah nickte und schlug die Beine übereinander, bevor sie sich räusperte und zu sprechen begann. »Wir fanden das Haus an genau den Koordinaten, die wir auf den Festplatten aus dem Verlies in Chicago entdeckt hatten, aber es war leer. Eine kleine Hütte, von außen völlig unscheinbar, samt einem Viehstall und einem kleinen Gemüsegarten zur Selbstversorgung. Allerdings war das ausgebaute Kellergeschoss, das wir erst bei der zweiten Durchsuchung entdeckten, alles andere als unscheinbar.« Sarah deutete mit dem Kopf zur Kamera über der Tür. »Wir haben die Daten bereits an die Zentrale geschickt.«

»Das weiß ich und ich werde sie mir zu gegebener Zeit noch ansehen. Sprich weiter.«

»Die Dorfbewohner sind bettelarm und haben weggeschaut, wofür sie gut bezahlt wurden. Wir fanden im Keller Töpfe und Geschirr, Kleidung, Bücher – wir konnten alles einigen wenigen Dorfbewohnern zuordnen.«

Wie Kane erwartet hatte. Wie es oft vorkam, wenn sie solche Folterkeller aushoben. Vor allem in armen Regionen mit wenig Bevölkerung war es leicht für die Täter, unerkannt zu morden, zu vergewaltigen und zu foltern. Die Logistik war schwieriger, weil sie ihren Opfer oft weite Strecken transportieren mussten, aber viele nahmen das gern in Kauf und ließen es sich von ihren Kunden verdammt gut bezahlen. Ein Folterkeller in China und einer in Russland bewiesen das, die mehr als ein Jahrzehnt im Bereich Kinderpornografie und Folter aktiv gewesen waren, bis es einer anderen Sondereinheit, die von Washington aus in der ganzen Welt operierte, endlich gelungen war, den widerlichen, menschlichen Sumpf auszuheben.

Am Ende hatte ein Krematorium mehrere Tage durchgängig laufen müssen, um die Täter, die bei dem Zugriff geschnappt werden konnten, verschwinden zu lassen, während die sieben finanzkräftigen Kunden, die später identifiziert worden waren, mit Kugeln im Kopf endeten – offiziell weiter als ungeklärte Auftragsmorde deklariert, da ein Filmstar, ein Baulöwe und ein rassistischer Senator aus Texas, der immer wieder mit äußerst fragwürdigen Aussagen über Schwarze von sich reden machte, schließlich auch Feinde haben konnten. Dass es ausgerechnet besagter Politiker war, der sich schwarze Mädchen im Alter von sieben bis elf Jahren kaufte – wäre es nicht so schwer gewesen, an den Kerl heranzukommen, hätte Kane es überaus genossen, ihn sehr langsam und qualvoll zu Tode zu foltern. So hatte eine Kugel genügen müssen. Unbefriedigend, aber wirksam.

»Die Bewohner haben also nicht nur weggeschaut.«

Sarah nickte. »Vier Mittäter. Drei Männer, eine Frau. Es wird keine Leichen geben.«

»Gut«, sagte Kane schlicht, denn Leichen verschwinden zu lassen, gehörte mit zu den wichtigsten Dingen bei Aufträgen im Ausland. Es durfte keine Spuren zu ihnen zurück geben, egal, was es kostete und wie hoch der Aufwand war, um unerkannt zu bleiben. »Noch etwas Wichtiges?«

»Nein.«

Interessant. Sie hatte also tatsächlich vor, den Mord an dem Dorfbewohner weder zu kommentieren noch zu erklären. Was im Normalfall sein Vorgehen war, aber hierbei ging es nicht um ihn, sondern um eine Untergebene, und Kane hatte mitnichten vor, ihr diesen Fehler durchgehen zu lassen.

»Du willst deine Fehlentscheidung in Bezug auf den Bauern also nicht erklären.«

»Es war keine Fehlentscheidung, es war nötig.«

»Entscheidet wer?«, konterte er und Sarah zog die Schultern hoch, denn sie wusste sehr wohl, dass er oder Lukas, niemand sonst, derartige Entscheidungen trafen.

»Ich habe das entschieden«, antwortete sie schließlich, setzte sich aufrecht hin und sah ihn durchdringend an. »Es ist an uns, diese Entscheidungen zu treffen. Genau wie du es seit Jahren in und um Detroit herum tust. Du wählst aus, du entscheidest, du fällst das Urteil und du vollstreckst es. Ich habe dasselbe getan, denn ich hatte bei diesem Einsatz die Befehlsgewalt.«

Kane zeigte keinerlei Regung, dabei waren Sarahs Worte, so arrogant sie auch waren, unmissverständlich. Sie wusste, wer er war. Sie war dem Monster in ihm auf die Schliche gekommen. Wie und auf welche Art – er würde es herausfinden. Und dann tun, was nötig war.

»Woher weißt du davon?«

Sarah schnaubte abfällig. »Ich habe Augen im Kopf.«

»Das ist keine Antwort«, sagte Kane ruhig und drängte das Monster in sich zurück, das sich bei ihren Worten interessiert aufgerichtet hatte. »Ebenso wenig eine Entschuldigung für das, was in Bulgarien geschah. Du hast meine Befehle ignoriert. Du hast riskiert, dass gesamte Team aufliegen zu lassen und damit in Todesgefahr zu bringen. Die Dorfbewohner waren für unsere Arbeit nicht von Belang.«

»Ach, Blödsinn!«, schrie sie ihn unerwartet an. »Als würden wir uns um ungebildete Dorftrampel scheren. Wir haben in den letzten fünf Jahren Anwälte, Polizisten und sogar einige Richter ausgeschaltet. Wir beobachten aktuell zwei Senatoren, die bald in unserem Krematorium enden werden, sobald die Beweise für ein Urteil ausreichen. Es waren nur Bauern, noch dazu dumme Schläger, die glauben, dass man eine Frau erziehen muss, damit sie tut, was man will. Behaupte jetzt nicht, dass du solche Typen nicht umbringen würdest!«

»Was ich getan hätte, steht nicht zur Debatte. Dieser Auftrag unterstand dir. Du warst verantwortlich und du hast komplett versagt. Durch deine Schuld ist eine heiße Spur zu einem Snuff-Club, der wir monatelang akribisch gefolgt sind und unzählige Arbeitsstunden investiert haben, jetzt kalt und wird es bleiben. Ich entziehe dir den Status als Außenagent und stelle dich vor die Wahl, dein Fehlverhalten entweder zu überdenken oder die Sektion mit sofortiger Wirkung zu verlassen.«

Sarah sah ihn fassungslos an, dann schüttelte sie mit einem Schnauben den Kopf und erhob sich, um auf den Tisch herum zu ihm treten. Kane stand ebenfalls auf, denn er sprach immer auf Augenhöhe mit seinen Soldaten, selbst wenn diese einmal Fehler machten. So viel Respekt verdiente ein jeder, der für die Sektion sein Leben riskierte.

»Ich verlasse die Sektion und kehre auf eigene Faust in das Dorf zurück, um zu tun, was nötig ist. Sollte ich dabei auf eine neue Spur stoßen, werde ich sie der Sektion mitteilen. Ich werde dein Geheimnis bewahren. Leg mir einfach keine Steine in den Weg, denn ich wette mit dir, dass ich weitere Mitwisser finde, weil es die immer gibt, und wenn ich das getan habe, werde ich ein Exempel an ihnen statuieren.«

Wie bitte? Kane musste sich verhört haben. »Offensichtlich hast du mir nicht richtig zugehört.«

»Das habe ich und ich habe meine Wahl getroffen, zu gehen. Als Privatperson unterstehe ich nicht deiner Befehlsgewalt und kann gehen, wohin ich will, und dort tun, was ich will. Wie ich bereits sagte, leg mir keine Steine in den Weg.«

Sie hatte tatsächlich vor, ihn zu erpressen, Kane wusste im ersten Moment nicht, ob er überrascht sein oder sie für diesen Mut, den er ihr nicht zugetraut hatte, bewundern sollte. Dabei musste ihr bewusst sein, was das für sie bedeutete. Er hätte mit dem unerwarteten Wissen, dass sie über sein Monster Bescheid wusste, vielleicht leben und sich damit arrangieren können, aber er würde niemals zulassen, dass sie erneut in dieses Dorf flog, dort weitere Einwohner tötete und damit im schlimmsten Fall ungewollte Aufmerksamkeit auf die Sektion zog.

»Du wirst nicht nach Bulgarien zurückkehren«, erklärte er ruhig und Sarahs Augen verdunkelten sich unheilverkündend. »Du wirst nicht die Sektion und unsere jahrelang Arbeit für die Opfer gefährden, nur weil du dich nicht länger unter Kontrolle hast. Das werde ich verhindern, Sarah.«

Es war purer Instinkt, der Kane im nächsten Augenblick den Arm hochreißen ließ, und dann ging die scharfe Klinge bereits durch seinen Pullover und anschließend seine Haut. Er fühlte keinen Schmerz, das tat er so kurz nach einem Angriff nie, aber er hörte das reißende Geräusch des Stoffes. Kane mochte diesen Pullover und trug ihn entsprechend oft. Es war ein edles Stück aus Schurwolle in dunklem Grün, wie seine Augen. Lukas hatte ihm diesen Pullover zum Geburtstag geschenkt.

Sarah hatte ein mit Bedacht ausgesuchtes Geschenk seines Mannes ruiniert, wurde Kane klar, während ihm wieder einfiel, wie Lukas ihm erzählt hatte, dass er Wochen gebraucht hatte, um genau diesen Grünton zu finden, in der Hoffnung, dass er mit diesem Geschenk seinen Geschmack traf, denn es war das erste Geschenk seines Lebens gewesen, dass er von einer Person erhalten hatte, der er etwas bedeutete. Lukas hatte das gewusst und ihm ein Geschenk machen wollen, dass seiner würdig war und dass ihm natürlich auch gefiel.

»Dieser Pullover war ein Geschenk meines Mannes, Sarah. Er hat Wochen gebraucht, um ihn auszusuchen.«

»Lukas gehört nicht an deine Seite. Er versteht nicht, wie tief unsere Verbindung geht und wie viel wir gemeinsam erreichen könnten. Er wird nie einer von uns sein.«

Kane nickte. »Das ist korrekt, und eben deswegen werde ich ihn nicht gehen lassen. Ich werde ihn nicht verlassen, denn er ist mein Mann. Und ich werde auch niemals zulassen, dass du mir Lukas wegnimmst.«

Denn genau das verriet Sarahs Blick ihm jetzt deutlich. Sie würde auch diese Grenze ohne zu zögern überschreiten, denn sie war augenscheinlich der irrigen Hoffnung erlegen, dass sie ihm etwas bedeutete. Und auf gewisse Weise traf das sogar zu, denn eine so gute Mitarbeiterin zu verlieren, war mehr als bloß ein wenig unangenehm. Aber wenn sie in all der Zeit hier in der Sektion und bei den Verhören an seiner Seite immer noch nicht begriffen hatte, dass er für Lukas selbst Detroit mit seinen mehr als vier Millionen Einwohnern ohne schlechtes Gewissen dem Erdboden gleichmachen würde, gab es absolut nichts, was Kane noch über sie wissen musste.

»Du wirst diesen Raum nicht lebend verlassen«, sagte er so ruhig und eisig, dass ihr Instinkt Sarah sofort zur Vorsicht riet, denn sie wich hinter den Tisch zurück und schluckte sichtlich. »Danke für deine getane Arbeit in den vergangenen Jahren und die Rettung unschuldiger Opfer.«

»Kane ...«

Es war der Moment der Überraschung, als Sarah erkannte, dass sie zum Tode verurteilt war, den Kane nutzte, mit einem Satz über den Tisch hinwegsetzte, wobei er ihr die Klinge brutal aus der Hand schlug und ihr im nächsten Atemzug das Gelenk brach. Sie schrie auf, doch dann übernahmen ihre Ausbildung und ihr Überlebensinstinkt, so wie bei Kane das Monster tief in ihm freudig die Flügel spreizte und zum Angriff überging.

Sarah hatte keine Chance.

Weder gegen das Monster, noch gegen die Kunst, mit der es ihre Klinge führte, nachdem er sie zu Boden gerungen und das Messer an sich gebracht hatte.

Er würde den beiden Männern, die eigentlich dafür hatten sorgen sollen, dass sie unbewaffnet in die Sektion zurückkehrte, keine Rüge erteilen, denn ihre kleine Schlampigkeit sorgte jetzt dafür, dass das gnadenlose Monster in seinem Inneren von der Leine war und dem frönen konnte, was es am liebsten tat und am besten konnte.

Sobald seine Aufgabe getan war, würde es wieder für einige Zeit befriedigt sein, und sich zurückziehen.

Bis zum nächsten Ausbruch.

Sarah war schon lange tot, als Kane blinzelnd zurück in die Wirklichkeit fand, die Klinge immer noch in der Hand, von der Blut auf den Boden tropfte. Er brauchte mehrere Versuche, um auf die Füße zu kommen, weil er in ihren Überresten und dem Blut überall auf dem Boden immer wieder ausrutschte. Es war ein Schlachtfeld, anders konnte man es nicht bezeichnen, doch außer dem Schnitt an seinem Unterarm, einer leicht pochenden Rippe – Sarah musste einen guten Tritt gelandet haben, ehe sie durch ihre eigene Klinge gestorben war – und schmerzenden Muskeln ging es ihm hervorragend.

Kane runzelte verwundert die Stirn, als sein Blick an einem Tischbein hängen blieb. War das ein Ohr? Er könnte nachsehen, entschied sich allerdings nach kurzer Überlegung dagegen. Die Gefahr, erneut auszurutschen, war ihm zu groß und sie war ein unnötiges Verletzungsrisiko, das er nicht eingehen wollte.

Schlimm genug, dass seine Kleidung ruiniert war, denn bei der Menge Blut half auch die beste Reinigung nicht weiter. Mal abgesehen davon, dass die Mitarbeiter garantiert in Ohnmacht fielen, falls er diese Kleidung abgab, oder aber nach der Polizei riefen, wofür er sie umbringen müsste.

Selbst mit Geld konnte man nicht alles kaufen.

Kane knurrte vor Ärger, als sein Blick auf seinen verletzten Arm fiel, denn jetzt tat er weh, und er erinnerte ihn daran, was Sarah getan hatte. Wie sie Lukas' Geschenk ruiniert hatte. Allein dafür hätte sie den Tod verdient gehabt.

Wie schade, dass er jetzt nicht mehr in Erfahrung bringen konnte, wie sie dem Monster in ihm tatsächlich auf die Schliche gekommen war. Er würde sich später, sobald Lukas sie gesehen hatte, denn das Recht würde er seinem Ehemann nicht nehmen, sofern der es von ihm einforderte, um die Aufzeichnungen der Überwachungskameras kümmern.

Aber fürs Erste waren eine heiße Dusche und ein Abstecher in sein Büro, wo ein Erste-Hilfe-Kasten lag, das Wichtigste.

Hoffentlich war Lukas bald zurück.